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Ich scheitere am Scheitern – Heiter scheitern

Gestern Abend wollte ich kurz vor dem Abendessen nur schnell Brot und Tomaten kaufen. Es war unerwarteterweise auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums sehr voll, deshalb habe ich mein Auto kurzerhand auf einen freien Familienparkplatz geparkt.

Heute Morgen tut mir das leid und ich möchte demütig dafür etwas büßen. Gut, dass eine Freundin einen Babysitter für ihren Dreijährigen sucht – ich habe mich sofort gemeldet.

Auf dem Weg klingelt mein Telefon, dummerweise ist das Handy im Auto entkoppelt. An der nächsten roten Ampel werde ich die Verbindung wieder einrichten. Allerdings wird daraus nichts, denn trotz dichtem Samstagmorgen-Verkehr komme ich, ohne anzuhalten, über alle Kreuzungen bei Grün. Das Telefon klingelt munter zum dritten Mal.

Bei der Freundin angekommen, erfahre ich, dass sie versucht hat, mich zu erreichen, da die 15-jährige Nachbarin das Babysitten bereitwillig übernommen hat. Weil ich ja noch Buße tun muss, biete ich an, mit dem Kleinen zu spielen, er steht nämlich im Hausflur und trägt schwer an einer Kiste Memory. Die 15-Jährige versucht noch, mich abzuwimmeln, aber das lasse ich nicht zu, ich habe schließlich eine Aufgabe zu erledigen.

Es stellt sich raus, dass der Kleine noch nie Memory gespielt hat. Zuerst ist er intensiv mit dem Mischen und Auslegen der Karten beschäftigt. Ich werde ihn gewinnen lassen, das bin ich schuldig. Er deckt zwei Karten auf und wieder zu. Ich decke zwei Karten auf und erwische zufällig ein Pärchen. Er deckt zwei Karten auf, wieder nichts. Ich decke eine Karte auf, das Pendant dazu hatte er bereits aufgedeckt. Ich bewege meine Hand suchend ganz weit an den Rand des Spielfeldes, allerdings zu zögerlich, er tippt auf das zugedeckte Gegenstück und hilft mir so, zu gewinnen.

Mein Stapel wächst und wächst in ungewollte Höhen. Der Versuch, ihm einige Karten unterzuschieben, scheitert kläglich, nach der Aktion wacht er mit Argusaugen über die Stapel. Ich gewinne, er heult, die Babysitterin ist genervt, weil sie doch eigentlich in Ruhe ihre Vormittagsserie schauen wollte.

Ich beschließe, meinen Ablass einfach zu bezahlen und frage die beiden, ob sie Lust auf Burger und Softeis haben. Die Babysitterin findet das total uncool, da würden nur noch alte Leute hingehen, cooler sei ein Sandwich-Laden. Sie überzeugt den Dreijährigen schnell, wobei „überzeugen“ hier nicht die richtige Formulierung ist, der Dreijährige kennt nun das Wort „uncool“.

Samstagvormittag zum Fond-Court des  Einkaufszentrums, das ist nun wirklich Buße tun. Erstaunlicherweise ist ein Familienparkplatz frei, diesmal habe ich sogar Kinder im Auto, also Blinker rechts und „first and best fit“ geparkt, Rolltreppe hoch zum Sandwich-Laden. Nach anfänglichem Zögern ermuntere ich die Babysitterin so viel zu bestellen, wie sie mag, es darf schließlich was kosten, auch wird die Eismenge ausreichend für drei Mal Bauchschmerzen sein. Die Bestellung ist so umfangreich, dass sie uns an den Tisch gebracht wird. Wir finden einen runden Tisch mit vier Plätzen und legen den Buzzer in die Mitte.

Nach einigen Minuten fängt es bunt an zu leuchten und ein Kellner trägt ein Tablett in unsere Richtung. Dabei verfängt sich sein Fuß in den Trageriemen der rosafarbenen Handtasche der Babysitterin und der Kellner geht bäuchlings zu Boden. Das ganze Essen, Ketchup, Getränke und Eis verteilen sich unter unserem Tisch. Ich helfe dem Kellner auf, er entschuldigt sich vielmals, Angestellte eilen herbei und das Malheur ist schnell beseitigt. Der Buzzer leuchtet wieder und wir bekommen unser Essen mit dem Hinweis, dass das selbstverständlich aufs Haus geht und wir nichts bezahlen müssen.

Ich gebe mit meinem Bußverlangen für heute auf, das ist kein Tag zum Scheitern. Ich schnalle den Dreijährigen auf seinen Kindersitz und schließe die hintere Tür. Während ich einsteige, hält neben mir ein Kombi, dessen Fahrer mich lautstark beschimpft, dass das Parkplätze für Familien seien Ich antworte ihm gelassen: „Exakt!“

Von Werner in der Reihe „Heiter scheitern

Ich scheitere am Altern – Heiter scheitern

Der Volksmund, der ja so vieles besser und manchmal sogar gut zu benennen weiss, sagt ja man sei so alt wie man sich fühle.

Ich scheitere nicht nur daran mich selbst altersgemäß zu fühlen, sondern auch daran andere Menschen altersgerecht einzuordnen. Größe und Aussehen sind mir da keine wirkliche Hilfe. Ab 24 Monaten aufwärts bin ich aufs Nachfragen angewiesen und auch die Tatsache, daß Grundschulkinder ja gelegentlich noch mit dem Buggy bis zur Tür des Klassenzimmers gefahren werden, macht es für mich nicht einfacher.
Als Jugendliche war meine oberste Präferenz ,das Alter betreffend, endlich 18 zu werden. Ob mich jemand für älter oder jünger hielt, war mir egal und ausgesprochen unwichtig. Deshalb hat sich mir auch noch nie erschlossen warum manche Menschen beharrlich seit Jahren ihren 29. Geburtstag feiern. Das provoziert doch die Antwort „Echt? Du siehst aber viel älter aus”.

Irgendwie war ich immer zu beschäftigt um altersgerecht zu verzweifeln. Mit 30 war ich alleinerziehend mit einem Säugling und die Anzahl meiner Falten mein geringstes Problem.
Mit 40 hatte ich die Diagnose einer chronischen Krankheit und war wie wild damit beschäftigt irgendwie damit zurecht zu kommen und meine Existenz zu sichern.

Der fünfzigste Geburtstag barg keine Schrecken weil selbige Krankheit mir einen Mann beschert hat der mich sein junges Ding nennt weil ich ein halbes Jahr jünger bin als er. Nichts macht so alt wie der verzweifelte Versuch jünger zu wirken. Und nichts hält so jung wie einfach zu machen wozu man gerade Lust hat und was die Situation hergibt.

Wenn mein Schatz mit seinen 53 Jahren an keiner Mauer und keiner Einfassung vorbei kann ohne darauf zu balancieren macht ihn das in meinen Augen sehr viel jugendlicher als einen 40 jährigen der sein Bike in den SUV packt und damit 30 Kilometer in die Landschaft fährt um Sport zu treiben.

Und wenn er bei Minusgraden bis zur Wade in die Lippe steigt während ich quiekend am Ufer auf und ab tigere, würde sich jeder rundum erneuerte und faltenunterspritzte Fitnessjünger mit Grausen abwenden.
Seine Mutter hat sich mit 82 noch einmal Ohrlöcher stechen lassen. Und das finde ich um Ecken lässiger als jedes Nippel-Piercing einer 40-jährigen. Übrigens werde ich öfters jünger geschätzt seit ich meine Haare nicht mehr färbe.

Auch hier weiss der Volksmund Rat. „Schnee auf dem Dach, aber im Kamin ist noch Feuer.”

Von Helga in der Reihe „Heiter scheitern

Ich scheitere am Ausruhen – Heiter scheitern

Ein wundervoller Zufall will es, dass heute Nachmittag zwei Termine kurzfristig ausfallen. Die Woche war anstrengend, hatte schon genug Arbeitsstunden, draußen sind es wunderbare 23° Grad und Sonnenschein. Auf der To-Do-Liste sind nur noch Dinge, die auch bequem bis Montag Zeit haben, das klingt nach endlich mal früh Feierabend machen und dann ab auf die Terrasse.

Gegen Mittag richte ich die Terrasse her, Liege und Tisch zurechtrücken – das wird herrlich! Nach dem Mittagessen noch kurz die letzten Dinge erledigen, ein Buch aussuchen auf den eBook-Reader laden, fast fertig. Während ich meine Ausrüstung für die Terrasse zusammenstelle, denke ich an die To-Do-Liste. Sicher haben die Dinge Zeit, aber vieles davon ist schnell erledigt, das mache ich noch geschwind fertig, dann können die Kollegen weiterarbeiten.
Ungefähr eine Stunde später sind die meisten kleinen Dinge fertig und der Computer fährt herunter. Kaffee wäre jetzt gut. Während die Espressomaschine aufheizt, räume ich die Küche auf und wische über die Spüle. So, jetzt aber einen schönen Espresso und dann nichts wie raus! Mit dem eBook-Reader in der rechten Hand und mit der Unterlage für die Liege unter dem linken Arm geht es raus ins helle Sonnenlicht.

Der erste Liegeversuch ist unbequem, weshalb von drinnen noch ein Kissen als Unterlage geholt werden muss. Jetzt passt die Sitzposition, aber das Sonnenlicht ist so hell und der eBook-Reader so klein, dass es ewig blendet. Mit einer Zeitung würde das nicht passieren. Also nochmal rein und die Sonnenbrille gesucht.
Ich schaffe es, ein paar Zeilen zu lesen, da erschallen Blockflötentöne aus dem Nachbarhaus. Es sind vermutlich mehrere junge Damen, die bei offenem Fenster üben. Erst denke ich mir, dass ich mich einfach auf das Buch konzentrieren kann, als dann aber immer wieder der gleiche Lied-Anfang in Kakophonie endet, um erneut geübt zu werden, gebe ich mein Vorhaben auf.

Dann lese ich eben nicht, sondern höre Musik auf der Terrasse, das kann auch sehr entspannend sein. Der Kopfhörer und der Media-Player sind schnell gefunden. Ich lege mich auf die Liege und suche mir eine passende Musik aus, nach einigen Minuten des Suchens stelle ich fest, dass einige aktuelle Alben fehlen und beschließe, auf diese nicht verzichten zu können. Also zurück zum Computer und die Musik gerade eben schnell auf den Player kopiert.
Beim Kopieren werden mir noch ähnliche Interpreten vorgeschlagen, in deren aktuelle Alben ich selbstverständlich kurz hineinhöre. Auch noch zwei E-Mails beantworte ich kurz, sodass ich etwa eine Stunde später mit der passenden Musik auf der Terrasse stehe. Mittlerweile hat die Blockflöten-Band der Nachbarstochter das Üben eingestellt und ich kann mich wieder dem eBook widmen.

Nun steht die Sonne aber so tief, dass es unbequem ist den eBook-Reader zu halten, ohne Rückenschmerzen zu bekommen. Verschiedene Versuche, die Lage mit mehreren Kissen zu verbessern, scheitern kläglich. Als ich die Kissen zurück ins Wohnzimmer bringe, sehe ich auf dem Handy, dass einige WhatsApp-Nachrichten beantwortet werden müssen.
Nachdem ich einige Minuten damit verbracht habe, zu überlegen, ob ich nicht der Einfachheit halber Musik höre, entscheide ich mich doch dafür den Sonnenschirm aus dem Keller zu holen. Als der Sonnenschirm vom Sonnenlicht angestrahlt wird, bemerke ich, dass die Bespannung an vielen Stellen ausgehakt ist. Kein Problem – Werkzeug ist schnell geholt. Allerdings kostet es mich ein wenig Zeit, den unter Spannung stehenden Stoff mit nur zwei Händen zu richten.

Ein wenig genervt entschließe ich mich deshalb, den schweren Schirmständer nicht alleine aus dem Keller zu tragen. Ich klingele beim Nachbarn, um Unterstützung zu holen. Zu zweit ist der Schirmständer ganz schnell auf der Terrasse. Bei dem fälligen Dank-Bier erzählt mir mein Nachbar, dass er den Vergaser seines Rasenmähers zerlegt und gereinigt hat, ihn jetzt aber nicht mehr zusammengesetzt bekommt. Selbstverständlich willige ich ein, sofort bei dem Puzzle zu helfen, hole mein Werkzeug und kaum ein paar Stunden später fragen wir uns, ob man denn um 22:00 Uhr den blitzblanken Rasenmäher ganz kurz, wirklich ganz kurz für einen Probelauf starten kann…

Von Werner in der Reihe „Heiter scheitern

Ich scheitere an Hotels – Heiter scheitern

Ich frage mich, welche Hotels eigentlich an den Gast denken? Außer naturgemäß, dass sie von mir nur das Beste, nämlich mein Geld, haben wollen. Viele Dienstleistungen der Hotels kommen mir eher wie ein Hürdenlauf vor, aber vielleicht wollen die auch nur meine geistige Wachheit testen.

Mein Zug hat Verspätung, trotzdem werde ich noch kurz im Hotel einchecken können, um meine Sachen ab- und das Notebook aufzuladen. Es hat Stromhunger, denn die Steckdose im Zug war nicht freigiebig.

Jetzt um die Mittagszeit ist die Lobby leer, meine Reservierung wird schnell gefunden und ich mit Magnetkarte, Pappkarte und Internet-Voucher bewaffnet Richtung Aufzug geschickt.

Am Zimmer angekommen ziehe ich die Magnetkarte durch, es rührt sich nichts. Ich prüfe Richtung, Zimmerschloss und die Karte. Etwas in die Jahre gekommen ist die schon. Nach dem vierten Versuch gebe ich auf und mache mich auf dem Weg zur Lobby.

Ein Hotelangestellter prüft, testet und begleitet mich zum Zimmer. Dort zieht er die alte Karte geschickt durch das Zimmerschloss, welches daraufhin entriegelt. Sagt zu mir: „Geht doch!“, schließt die Zimmertür, gibt mir indes eine funkelnagelneue Karte. Ich probiere die neue Karte, die geht auf Anhieb. Was wollte er mir denn damit zeigen? Dass geschulte Hotelangestellte auch mit ältestem Schrott eine Zimmertür aufbekommen?

Kopfschüttelnd betrete ich das Zimmer. Sonnenlicht blendet mir entgegen und das Zimmer ist erstaunlich warm. Der Hotelfernseher brüllt mich mit lauter Musik an. Ich suche die Fernbedienung und drücke den roten Aus-Knopf. Der Fernseher quittiert das mit „Falsche Eingabe, drücken Sie Menü“, ich drücke auf Menü, dort wird mir das Erotik-Film-Paket angeboten. Ich dachte, dafür wäre das kostenlose WLAN da.

Ich versuche über die Pfeiltasten der Fernbedienung auf „Nein“ zu navigieren, Cursor rechts war aber wohl die Auswahl des Erotik-Pakets. Ich soll zur Bestätigung meine Zimmernummer eingeben. Der Fernseher brüllt immer noch Bar-Jazz-Musik in unglaublicher Lautstärke. Ich beschließe der Einfachheit halber, dem Fernseher den Strom zu entziehen.

Mir ist warm, ich schalte die Klimaanlage ein, nehme meine Hemden aus dem Koffer, um sie dann auf die umständlichen Hotelkleiderbügel in den Schrank zu fummeln. Für das Notebook findet sich eine Steckdose am Schreibtisch. Jetzt aber sputen, mein Termin wartet nicht.

Da klopft es an der Tür, es ist der Page. Sie hätten an der Rezeption gesehen, dass der Fernseher nicht mehr im Hotelnetz ist. Ich erzähle mit knappen aber farbigen Worten, wie mich dieses Wunderwerk ausnahmslos genervt hat. Der Hotelangestellte erklärt, dass das Gerät wichtige Funktionen hätte und man es nicht vom Strom trennen dürfe. Ich sage beim Gehen, er dürfe machen, was er wolle, allerdings – wenn der Fernseher während meines Besuchs auch nur einen Ton von sich gäbe, wären wir keine Freunde mehr.

Abends zurück im Hotelzimmer liegt der Stecker des Fernsehers immer noch neben der Steckdose. War ihm wohl doch zu gefährlich, dieses Monster wieder zu erwecken. Im Zimmer ist es immer noch heiß und das Notebook ist nicht geladen, da Klimaanlage und Steckdosen über die Zimmerkarte nur wenige Minuten nach meinem Verlassen des Zimmers ausgeschaltet wurden.

So muss die Klimaanlage in die Nacht rein rattern und ich klemme mich an den Winzlingsschreibtisch in Reichweite zur Steckdose. Der Schreibtisch hat dankenswerterweise eine Glasplatte, damit die Maus auch garantiert nicht funktionieren kann. Aber dafür liegt hier eine Menükarte, die zum Mauspad wird. Alles gut.

Nach einer Nacht mit laufender Klimaanlage wache ich gerädert auf, duschen, anziehen, allerdings bis auf das weiße Hemd, das kommt nach dem Frühstück. Nicht, dass da ein Fleck draufkommt.

Vor dem Frühstücksraum wacht eine Dame, ob denn auch alle das Frühstück bezahlt haben. Ich nenne meine Zimmernummer, die Dame meint da wäre kein Frühstück gebucht. Ich bestätige, dass mein Tarif inklusive Frühstück ist. Die Dame ruft lautstark hinüber zur zehn Meter entfernten Lobby. Da dort jedoch viele Menschen mit dem Auschecken befasst sind, ist die Kommunikation sehr verzögert, laut und langwierig. Mir reicht es irgendwann und ich biete der Dame an, dass ich durchaus das Frühstück bezahlen würde, wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht in meinem Tarif enthalten sei. Sie zeigt sich erstaunt und zeigt mir die Stelle auf ihrer Zimmerliste, auf der ich unterzeichnen soll.

Die Aktion hat mir mindestens zehn Minuten meines Zeitkontingents geklaut, schnell gefrühstückt, schnell aufs Zimmer, weißes Hemd anziehen und Zähneputzen. Mist! Falsche Reihenfolge, ich versaue mir das Hemd in aller Hektik mit Zahnpasta. Ok, dann eben ein sauberes Hemd weniger.

Beim Auschecken an der Rezeption erklärt man mir, man habe irgendwie keine Anzeige zur Nutzung der Minibar, da müsse die Verbindung zum Fernseher unterbrochen sein. Es müsse erst ein Mitarbeiter ins Zimmer geschickt werden, um die Minibar zu kontrollieren. Meine Hinweise, nichts aus der Minibar genommen zu haben und im Notfall hätte das Hotel ja meine Kreditkartendaten, nutzen nichts. Ich soll mich in der Schlange wieder hinten einreihen.

Als ich endlich wieder an der Reihe bin, bemängele ich die Rechnung, da sie zwei Frühstücke enthält. Die Rezeptionistin erklärt mir in scharfen Ton, dass ich nicht auf der Liste hätte unterzeichnen dürfen, da mein Tarif doch ein Frühstück enthalten hat. Nun hätte sie all die Arbeit mit der Rechnungskorrektur. Ich deute auf die Dame vor dem Frühstücksraum und zeige mich zunehmend verzweifelt.

Ich bin froh, nun endlich auf dem Weg zu sein. Diese amerikanische Hotelkette rutscht in meiner persönlichen Hotel-Favoritenliste einige Plätze nach unten.
Als ich einige Tage später eine unerklärliche Abbuchung von 20 Euro auf meiner Kreditkarte finde, die sich später als zweites Frühstück herausstellt, ist es mit der Freundschaft vorbei. Lieber ein paar Kilometer außerhalb als dieses Desaster. Und eure „With compliments“-Karte mit handgeschriebenem Gästenamen auf dem Bett könnt ihr Euch sonst-wohin …abheften.

Von Werner in der Reihe „Heiter scheitern„.

Ich scheitere am Fliegen – Heiter scheitern

Eines möchte ich verstehen: Warum sind öffentliche Verkehrsmittel öffentlich und warum meinen viele der Mitreisenden ihre Persönlichkeit entfalten zu dürfen, ohne jedoch auf andere im selben Verkehrsmittel Eingesperrte Rücksicht nehmen zu müssen?

Es ist viertel vor sechs an einem herbstlichen Tag, draußen ist es um die 5° Celsius, der Nebel lässt alles klamm werden. Ich steige in den Flieger nach München, Gott sei Dank geht es heute Abend wieder zurück.

Als ich zu meinem Gangplatz komme, sitzt dort schon ein gut gekleideter Herr, etwas extrovertiert angezogen und bedüftelt. Vermutlich ein Vertriebsmitarbeiter eines hiesigen Mittelständlers.

Als ich mich setzen will, bemerke ich einen Rimova-Aktenkoffer vor meinen Füßen unter meinem Sitzplatz. Es stellt sich raus, dass er dem Herrn gehört. Meine Bitte, den Koffer unter seinen Sitz zu bugsieren, lehnt er mit dem Hinweis ab, dass er seine Füße dann nicht mehr ausstrecken kann. Meinen Einwand, dass ich so meine Füße nicht ausstrecken kann, lässt er nicht gelten.

Ein kurzer Austausch von „Sie müssen“, „ich muss nicht“ lockt die Stewardess heran, die sich von dem Herrn das Problem erklären lässt, daraufhin den Aktenkoffer mit nach vorne in die Garderobe nimmt und ihm mehrfach versichern muss, der Koffer sei bei ihr in besten Händen.

Das wäre geklärt. Ich mache es mir gemütlich und der Herr fängt an mich auszufragen. Ich frage der Höflichkeit halber zurück und bekomme ähnlich wie in Herakles‘ Kampf mit der Hydra für eine Frage 10 Rückfragen. Ich bin zu müde und uninteressiert, außerdem bemerke ich dicht unter dem intensiven Rasierwassergeruch des Herren eine Spur Weinbrand, die sich mit jedem Satz immer deutlicher mit dem Rasierwasser konkurrieren kann. Ich schätze, das war mindestens ein Doppelter zum Frühstück. Nicht preiswertes Scharfes, nein der Herr hat Geschmack und das nötige Kleingeld. Ich tippe auf Club de Rémy Martin, nicht VSOP, es ist Club.

Nun ist aber gut, ich beende das Gespräch höflich mit Hinweis auf meine Kopfhörer, die ich dabei aufsetze und entscheide mich für „Be Brave“ als Soundtrack für den Beginn der Reise.

Der Tag in München verlief dann ganz erfolgreich, aber es drohte erneutes Unheil, als es am späteren Abend zurück zum Flughafen ging, um auf den Zehn-Uhr-Flieger zu warten.

Leider zeigt das Smartphone eine Verspätung von 20 Minuten an, die sich auf 40 Minuten ausweiten werden. Es geht mit dem Bus zum Flugzeug, draußen trifft man auf 15° Celsius gepaart mit intensivem Nieselregen. Diesmal sitze ich schon, bevor mein Sitznachbar kommt.

Ein Mann geht im Gang an mir vorbei, um sich dann umzudrehen und umständlich sein Gepäck über meinem Kopf in die Ablage zu bugsieren. Das für sich genommen ist schon merkwürdig. Als er mit dem Bugsieren fertig ist, spricht er mich an, deutet auf den leeren Fensterplatz neben mir und sagt, das sei sein Platz. Die Ansprache kommt in der Form von drei Aufforderungen stakkato-artig in kurzer Folge vorgebracht. Ich soll ihn nun endlich auf seinen Platz lassen.

Ich spreche ihn mit „Guter Mann“ an und sage ihm, dass ich das gerne tun würde, aber er es verhindert hat, indem er einen Platz zu weit gegangen ist und nun die anderen Passagiere im Gang jegliches Aufstehen unmöglich machen. Daraufhin beschimpft er den hinter ihm im Gang stehenden Menschen, wieder mit dreifach wiederholter Ansprache. Ich vermute, er hält seine Vorgehensweise für angemessen, für mich ein Nachweis, dass der Dunning-Kruger-Effekt auch auf den alleruntersten Intelligenzstufen existiert.

Da nun sehr viele Leute ins Flugzeug drängen, staut es im Gang sehr stark und es beginnt eine akrobatische Kletterei um meinen zukünftigen Sitznachbarn herum. Auch scheinen viele nachrückende Leute seine Intention nicht zu verstehen und lassen keinen Platz. Irgendwann kann ich aufstehen, er zirkelt noch um einen Passagier herum, dann sitzt er. Ich entschuldige mich bei den Wartenden mit einem Achselzucken.

Ich bin froh, bei der Gepäckbugsiererei keinen seiner Koffer abbekommen zu haben, packe die Kopfhörer aus und der Player startet „Going Under“.

Am Zielort angekommen bin ich froh, ganz vorne zu sitzen und schnell raus zu kommen. Jetzt schnell Parkzettel bezahlen, Auto starten und Anlage an. Als ich auf die B1 einbiege, drücke ich das Gaspedal einmal weit durch. Ich gewinne Abstand, schnell sind die Paderborner Taxis zu Stelle und geben Geleit. Es ist nach zwölf ich bin auf dem Weg nach Hause. „We’re up all night to get lucky“.

Von Werner in der Reihe „Heiter scheitern„.