Ich scheitere am Scheitern – Heiter scheitern

Gestern Abend wollte ich kurz vor dem Abendessen nur schnell Brot und Tomaten kaufen. Es war unerwarteterweise auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums sehr voll, deshalb habe ich mein Auto kurzerhand auf einen freien Familienparkplatz geparkt.

Heute Morgen tut mir das leid und ich möchte demütig dafür etwas büßen. Gut, dass eine Freundin einen Babysitter für ihren Dreijährigen sucht – ich habe mich sofort gemeldet.

Auf dem Weg klingelt mein Telefon, dummerweise ist das Handy im Auto entkoppelt. An der nächsten roten Ampel werde ich die Verbindung wieder einrichten. Allerdings wird daraus nichts, denn trotz dichtem Samstagmorgen-Verkehr komme ich, ohne anzuhalten, über alle Kreuzungen bei Grün. Das Telefon klingelt munter zum dritten Mal.

Bei der Freundin angekommen, erfahre ich, dass sie versucht hat, mich zu erreichen, da die 15-jährige Nachbarin das Babysitten bereitwillig übernommen hat. Weil ich ja noch Buße tun muss, biete ich an, mit dem Kleinen zu spielen, er steht nämlich im Hausflur und trägt schwer an einer Kiste Memory. Die 15-Jährige versucht noch, mich abzuwimmeln, aber das lasse ich nicht zu, ich habe schließlich eine Aufgabe zu erledigen.

Es stellt sich raus, dass der Kleine noch nie Memory gespielt hat. Zuerst ist er intensiv mit dem Mischen und Auslegen der Karten beschäftigt. Ich werde ihn gewinnen lassen, das bin ich schuldig. Er deckt zwei Karten auf und wieder zu. Ich decke zwei Karten auf und erwische zufällig ein Pärchen. Er deckt zwei Karten auf, wieder nichts. Ich decke eine Karte auf, das Pendant dazu hatte er bereits aufgedeckt. Ich bewege meine Hand suchend ganz weit an den Rand des Spielfeldes, allerdings zu zögerlich, er tippt auf das zugedeckte Gegenstück und hilft mir so, zu gewinnen.

Mein Stapel wächst und wächst in ungewollte Höhen. Der Versuch, ihm einige Karten unterzuschieben, scheitert kläglich, nach der Aktion wacht er mit Argusaugen über die Stapel. Ich gewinne, er heult, die Babysitterin ist genervt, weil sie doch eigentlich in Ruhe ihre Vormittagsserie schauen wollte.

Ich beschließe, meinen Ablass einfach zu bezahlen und frage die beiden, ob sie Lust auf Burger und Softeis haben. Die Babysitterin findet das total uncool, da würden nur noch alte Leute hingehen, cooler sei ein Sandwich-Laden. Sie überzeugt den Dreijährigen schnell, wobei „überzeugen“ hier nicht die richtige Formulierung ist, der Dreijährige kennt nun das Wort „uncool“.

Samstagvormittag zum Fond-Court des  Einkaufszentrums, das ist nun wirklich Buße tun. Erstaunlicherweise ist ein Familienparkplatz frei, diesmal habe ich sogar Kinder im Auto, also Blinker rechts und „first and best fit“ geparkt, Rolltreppe hoch zum Sandwich-Laden. Nach anfänglichem Zögern ermuntere ich die Babysitterin so viel zu bestellen, wie sie mag, es darf schließlich was kosten, auch wird die Eismenge ausreichend für drei Mal Bauchschmerzen sein. Die Bestellung ist so umfangreich, dass sie uns an den Tisch gebracht wird. Wir finden einen runden Tisch mit vier Plätzen und legen den Buzzer in die Mitte.

Nach einigen Minuten fängt es bunt an zu leuchten und ein Kellner trägt ein Tablett in unsere Richtung. Dabei verfängt sich sein Fuß in den Trageriemen der rosafarbenen Handtasche der Babysitterin und der Kellner geht bäuchlings zu Boden. Das ganze Essen, Ketchup, Getränke und Eis verteilen sich unter unserem Tisch. Ich helfe dem Kellner auf, er entschuldigt sich vielmals, Angestellte eilen herbei und das Malheur ist schnell beseitigt. Der Buzzer leuchtet wieder und wir bekommen unser Essen mit dem Hinweis, dass das selbstverständlich aufs Haus geht und wir nichts bezahlen müssen.

Ich gebe mit meinem Bußverlangen für heute auf, das ist kein Tag zum Scheitern. Ich schnalle den Dreijährigen auf seinen Kindersitz und schließe die hintere Tür. Während ich einsteige, hält neben mir ein Kombi, dessen Fahrer mich lautstark beschimpft, dass das Parkplätze für Familien seien Ich antworte ihm gelassen: „Exakt!“

Von Werner in der Reihe „Heiter scheitern

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